Folgender Bericht des Öffentlichkeitsausschuss erschien in der Lokalpresse:
Am Samstag konnte Frau Prof. Dr. S. Stengel-Rutkowski ihre Zuhörer begeistern. Eine Fortbildung für die Erzieherinnen des Michelstädter integrativen Montessori-Kinderhauses wurde für interessierte Eltern, Erzieher, Lehrer, Ärzte etc. geöffnet.
Thema des Vortrags war „Vom Defekt zur Vielfalt – neue Konzepte der Erziehung und Entwicklungsförderung von Kindern mit Genveränderungen“.
Hierbei ging es jedoch nicht nur um neue Konzepte, sondern um eine radikal neue Sichtweise. Die Humangenetikerin geht davon aus, dass Kinder mit genetischen Veränderungen, wie z.B. dem Down-Syndrom, nicht „geistig behindert“ sind, sondern ihnen lediglich die körperlichen Vorraussetzungen fehlen, ihre geistige Reife auszudrücken. Diese Kinder bleiben in ihrer geistigen Entwicklung nur deshalb zurück, weil niemand von ihnen mehr verlangt und ihnen auch nicht mehr zutraut. Man ist nicht geistig behindert, aber man kann es werden, wenn die Umwelt dies erwartet, ihre interaktiven Angebote einschränkt und ihre Unterstützung auf Betreuung und Versorgung reduziert. Diese Kinder nehmen dadurch häufig selbst Verhaltensweisen an, die ihre Weiterentwicklung behindern, da sie erwarten, dass ständig jemand etwas für sie tut.
In zahlreichen Untersuchungen konnte Prof. DR. S. Stengel-Rutkowski nachweisen, dass die Kinder in der Lage sind, viel komplexere Aufgabe zu lösen, als man ihnen zutraut.
Zur Förderung von Kindern mit Genveränderungen bietet sich die Pädagogik nach Maria Montessori besonders an. Es wird hierbei nicht darauf geachtet, was das Kind später einmal nicht können wird, sondern die individuellen Stärken werden betont. Bei der Montessori-Pädagogik geht es darum, in einer vorbereiteten Umgebung die Kinder sensitiv zu beobachten, wo gerade ihr Interesse liegt, um dann nach dem Leitsatz zu handeln: „Hilf mir, es selbst zu tun“. Manche Kinder lernen viel von alleine, andere müssen von Erwachsenen viel ermutigt werden und gezeigt bekommen, um Lernerfahrungen zu machen. Wichtig ist hierbei, dass alle Kinder altersgemäßes Lernmaterial zur Verfügung haben, auch die mit veränderten Genen, um die gleichen Chancen zu haben.
Die Erfahrungen einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen Humangenetik und Montessoripädagogik bzw. Montessoritherapie zeigen, dass es möglich ist, die Entwicklungspotentiale von Kindern mit Genveränderungen ohne zutreffende Normvergleiche zu erkennen und gleichzeitig zu fördern. So lässt sich eine Stigmatisierung der Kinder von Anfang an verhindern und wichtige Grundsteine zum Weg der gesellschaftlichen Akzeptanz aufbauen.
Mit den anwesenden Fachleuten des Kinderhauses, aus Medizin, Psychotherapie und der Schule am Drachenfeld entwickelte sich eine interessante Diskussion, die auch von den teilnehmenden Eltern mitgetragen wurde. Zu ihren Thesen konnte Prof. Dr. Stengel-Rutkowski sehr anschauliche Videos zeigen.
Die Fortbildung wird die Arbeit der Erzieherinnen des Michelstädter integrativen Montessori Kinderhauses in Zukunft weiterhin unterstützen. Gemeinsam mit allen am Entwicklungsprozess Beteiligten im Sinne der Montessoritherapie, für jedes Kind, das Optimum seiner Entwicklung auszuschöpfen.